Montag, 4. Dezember 2006

this is my favourite home and i'm not ashamed to run around naked

es war kein besonderes datum. später wird er sich nur mehr vage daran erinnern, wann sich diese szene abgespielt hat. aber den rest wird er wohl nie vergessen. diesen moment, der das ende einer langen durststrecke markierte. jahrelang musste er sich mit der rolle des außenseiters begnügen. nicht diese romantische outcast-vorstellung, die er aus den filmen kannte. nein, in der wirklichkeit gab es nie dieses breakfast club zusammentreffen der unterschiedlichen gruppierungen, die dann plötzlich doch zueinander finden. diese gruppendynamisch sicherlich wertvolle rolle des sonderlings war alles andere als eine einfache aufgabe. nicht zuletzt, weil er nie die gelegenheit sah, eine andere rolle zu bekleiden. und plötzlich war damit schluß.

ein weiterer umzug seiner familie führte ihn in eine weitere verschlafene kleinstadt. eine weitere klasse, in der er als 'der seltsame typ mit den schrecklichen klamotten' bekannt wurde. bis ER ihm einen zettel gab. das war eindeutig ein flyer. auch wenn er noch nie einen bekommen hatte, wusste er um die bedeutung dieses billig produzierten stück papiers. es war die eintrittskarte - nicht zum darauf angekündigten gartenfest, sondern in eine andere realität. und diese chance würde er nutzen. 'bring was zum trinken mit, bier ist oke. und ein paar cds.' meinte ER noch, bevor ER aus dem klassenzimmer verschwand. sonst gab er niemandem eine einladung. 'mach ich', mehr musste er nicht antworten. und sofort überlegte er, was er anziehen würde. welches bier er kaufen sollte (wenn seine eltern nicht zuhause waren, trank er manchmal, um auf diesen moment vorbereitet zu sein, er hatte also durchaus ahnung). welche cds er auswählen würde. und was er lieber nicht erwähnen würde. die karten-sammelspiele - die leute verstanden nie, dass es mehr als pokemon gab. die tabletop-spiele - er wollte nicht als geek gelten. die mangas - da dachten alle anderen sofort an schweinereien. er war auf alles vorbereitet, nur nicht auf das folgende szenario.

als er ankam, war die party schon im gange. 7 leute, mehr waren nicht geladen. 'und dafür hat ER tatsächlich flyer gedruckt?'. auf einem schäbigen fernseher lief 'green legend ran' ohne ton. 2 unterhielten sich lautstark darüber, ob tcg's eine dämliche ausgeburt der wegwerfgesellschaft waren. ein mädchen tanzte scheinbar verloren auf dem rasen zu 'the authority song' von jimmy eat world. ER begrüßte ihn, nahm ihm das bier ab, stellte ihn vor. ohne vorwarnung wurde er in gespräche verwickelt, öffnete ein bier, plauderte über alles, was ihm wirklich gefiel, was ihn interessierte. er trank bier, zog zum ersten und letzten mal an einer zigarette, lachte und unterhielt sich weiter. stundenlang. nach einer stunde hatte er sich alle namen gemerkt. nach zwei stunden hatte er sich 5 bands im kopf notiert, von denen er unbedingt mehr hören wollte. nach vier stunden tanzte er gemeinsam mit den anderen zu 'lucky denver mint'. sang lauthals mit. fühlte sich betrunken. er fühlte sich berauscht von menschen, die er scheinbar sein leben lang gesucht hatte.

am nächsten morgen brummte sein kopf. er war auf dem rasen eingeschlafen. seine kleidung war naß. er sah sich um, konnte aber keinen morgentau sehen. nur einen billigen pool zum aufstellen. die sorte mit hohen blauen wänden und einer wackeligen einstiegsleiter. 'willst du nochmal reinspringen?' sagte plötzlich ER, der hinter ihm stand. 'nochmal?'. 'haha, du warst wirklich schwer bedient gestern. also. zuerst bist du ansatzlos hineingesprungen und hast mit ed eine synchronschwimmer einlage hingezaubert. dann hast du die nassen sachen ausgezogen und hast nackt getanzt. ein seltsames bild, aber naja'. er konnte spüren wie sein gesicht sich rot färbte. die hitze jede pore seiner haut erreichte. hastig suchte er seine sachen zusammen, erzählte etwas von mittagessen und zuhause sein müssen und verschwand. der restliche tag war lang. die nacht war noch länger. er konnte nicht schlafen. sie würden sich alle das maul über ihn zerreissen, über den idioten, der nach ein paar bier nackt durch gärten tanzt.

am ersten tag war nichts zu merken. auch der zweite tag verlief ruhig. am dritten tag hatte er das gefühl, noch weniger als zuvor beachtet zu werden. bis ER kam und ihn einlud, doch am abend vorbeizuschaun. sie saßen in der einfahrt SEINES elternhauses, hörten musik. manchmal plauderten sie, manchmal sagten sie gar nichts. minutenlang betrachteten sie das gras, während jimmy eat world 'your house' zum besten gaben. irgendetwas stach aus dem grün heraus. die malkreide SEINER kleinen schwester. er nahm sie, und schrieb mit ruhiger hand einen satz auf die asphaltierte zufahrt zur garage. nach erledigter arbeit legte er sich darunter. als ob er seine aussage unterstreichen wollte. ER las den satz und musste lächeln. ER legte sich daneben hin, als wollte er der aussage noch ein rufzeichen hinzufügen. so bildeten sie die umrahmung für einen satz, der ihm stärker in erinnerung bleiben sollte, als alles was er je wieder erleben würde. in großen, rosa lettern konnte nun jeder, der an der auffahrt vorbeikam, lesen: 'this is my favourite home and i'm not ashamed to run around naked'.

there's my coach he's looking down / the disappointment in his knitted brow

überraschungen kommen immer in den unerwartetsten momenten. nicht diese falschen überraschungen, wie eine party zum geburtstag darstellt. das sieht man meistens doch irgendwie kommen. die wirklich guten überraschungen verpasst man meistens sogar. erst, wenn sie vorbei sind, merkt man, dass da was war. und so geht das wochen, wenn man zu faul ist, den fm4 trackservice zu nutzen.

das lied kam aber auch immer in den seltsamsten momenten daher. kurz, bevor man in die arbeit geht. während man zur probe fährt. beim zähneputzen. am sonntag vormittag. immer dann, wenn der pc weit weg ist oder es zumindest so scheint, als würde es jetzt ewigkeiten dauern, bis man weiß, wer zum henker das ist. denn es sind nicht die smiths. auch wenn es der erste gedanke immer wieder behauptet. dazu ist der gesang zu ruhig, zu wenig übertrieben (und das im positivsten sinne, herr morrisey). doch weit entfernt vom slackerhaften 'ich scheiß mir nix, mir is das alles eh wursch' tonfall. zauberhaft. die musik erinnert irgendwie an 'this charming man' von, ja, den smiths. und doch nicht, weil mit keyboard und zaghaften blasinstrumenten untersetzt. und, ist das ein glockenspiel im hintergrund?

irgendwann war dann doch klar, das der song 'the sporting life' heißt und von der gruppe the decemberists stammt. die musikalische nähe zu anderen bands können sie nicht abstreiten, klingt doch 'we both go down together' in der strophe fast schon unverschämt nach 'loosing my religion' von rem. doch was ich den fotos als uninspiriertheit vorwerfe, halte ich den decemberists als charmante referenzgestik zugute.

mit diesem bandnamen muss man ja lieder schreiben, die zu weihnachten passen wie vanillekipferl. oder eher wie cocos-punsch. man weiß, so wirklich weihnachtlich ist das jetzt nicht. aber ein zuckersüßer ironie-streusel über viel zu trockene straßen, denen ein wenig wohlig-entspannte stimmung gut tun würde.

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