Freitag, 21. Januar 2005

tocotronic - pure vernunft darf niemals siegen

tocotronic-overkill in den medien. wenn man sich danach umsieht. sonntags kritik im kult, die nicht sehr berauschend war. natürlich ein artikel im profil. natürlich auch in der faz. zu gast bei mtv spin und sarah kuttner. und dank dem sto kenn ich jetzt auch die kritik aus dem standard. das ganze bildet ein misch-masch aus trivial-kritik (kult), feuilletonistische verliebtheit (faz, ein wenig profil), großteils aussagenfreier fragerei (kavka/kuttner) und angriffs-lust (standard). und was soll man jetzt wirklich davon halten?

beginnen wir einmal mit der vorgeschichte. irgendwann mal waren tocotronic DIE vorzeige-alternativ-gitarren-rockband, zumindest im deutschsprachigen raum. inklusive schaffung einer eigenen jugendkultur usw. alben wurden in ein paar tagen aufgenommen und kamen dementsprechend dreckig, verrotzt und ungeschliffen daher, was einen großteil des charmes ausmachte. den anderen teil steuerten die ach-so-oft-zitierten slogans bei. hat die damals eigentlich irgendwer als banal kritisiert? ich weiß es wirklich nicht, aber unwahrscheinlich wärs wohl nicht.

dann ließ man sich für kook satte 90 tage zeit. das ergebnis war eine platte, die sich merklich von den vorgängern unterschied. eine 4te neuauflage von 'digital ist besser' mit minimaler weiterentwicklung wäre auch langweilig geworden. beim selbstbetitelten album schließlich dauerte es eineinhalb jahre bis zur vollendung. und man war ganz woanders angekommen. eben nicht mehr das scheinbar unreflektierte, spontane, sondern das überlegte, ausgeklügelte trug da auf einmal eine band, die sich einfach weiterentwickelt hatte. was etliche 'alte' fans abschreckte und verscheuchte.

vielleicht kann man diese damalige phase, in der mit dem produzenten tobias levin als inoffiziellem vierten bandmitglied solche klangwelten und -mauern wie 'free hospital' aufgebaut wurden, ein wenig mit radioheads 'kid a/amnesiac'-phase vergleichen - schier endloses ausprobieren aller möglichkeiten, wie dieser song jetzt klingen könnte. und warum sollte das jetzt für die neue platte wichtig sein?

rick mcphail ist also nun viertes bandmitglied. erste auswirkung: man konnte im proberaum das ausprobieren, was zuvor immer erst im studio geschehen konnte. das tocotronic für eine zweite gitarre platz hatten bzw diese brauchten stellte sich schon beim vorgänger heraus. tobias levin war diesmal nicht produzent - man ist ja schon zu viert. aufgenommen wurde in 9 tagen. danke, fertig.

all das bis jetzt gesagte hört man auf der cd. es wirkt gut aufgenommen, aber nicht überproduziert. teilweise nichtmal wirklich produziert. im vergleich zu den ganz alten songs wirkt es ein wenig gesetzter, vielleicht abgeklärter. nicht mehr so treibend, was erfahrungsgemäß auch daran liegen kann, das der verzerrer vor längerer zeit rausgeschmissen wurde oder auf ein unaufdringliches nievau runtergedreht wurde. im vergleich zum letzten album wirkt es unvermittelter, einbeziehender, direkter. spontaner. das sind nicht mehr die fordernden twens, sondern die mittdreißiger, die sich nicht zwanghaft dagegen wehren. man kann immer noch versinken, und man kann (wieder?) aufstehen wollen und diese eine zeile irgendwo verewigen. nicht mehr im großen maßstab an eine wand sprayen, aber vielleicht unscheinbar auf den sitz in der straßenbahn.

was bleibt vom album, wenn man die geschichte abzieht? nicht der soundtrack fürs leben. nicht der ausdruck von jugendlichem lebensgefühl und ungestüm. keine rockplatte, nicht nach aktueller definition. am ende bleiben schöne melodien, schöne songs und texte, die weniger plakativ sind und mehr ambiente schaffen. den wievielten slogan hätte man den gebraucht? den wievielten song, der mit 'ich...' beginnt? die wievielte neuauflage von jugendlichem lebensgefühl, ausgedrückt von menschen, die inzwischen ein anderes leben führen?

in den vorgänger musste man sich reinarbeiten. schnell hat er sich mir nicht geöffnet. erst als ich zuließ, dass er meinen raum füllt, konnte ich mich darin wiederfinden. diesmal war ich von anfang mittendrin, statt nur dabei. eine rückkehr zu alten gefühlen, ohne sich dabei zu wiederholen. ist 'pure vernunft darf niemals siegen' etwas für jederman? nein. war 'digital ist besser' etwas für jederman?


zum reinhören:
in höchsten höhen
der achte ozean
aber hier leben, nein danke

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